Die Autoindustrie in der Region Stuttgart macht gerade Schlagzeilen mit neuen Innovationsprojekten. Andreas Geldner hat jetzt bei Anke Kleinschmit, der Chefin der Daimler-Konzernforschung, zur geplanten Startup Autobahn in Stuttgart nachgehakt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Interview

 

Frau Kleinschmit, einmal plakativ gefragt: Was will der große Daimler mit kleinen Startups?

Für uns ist die Förderung von Startups sowohl wegen ihres Know-hows als auch wegen ihres Gründergeistes wichtig, den wir hier am Standort Stuttgart verstärkt unterstützen wollen. Es geht einerseits um die Ideen, aber auch um die Menschen, mit denen wir dadurch in Verbindung kommen. Wir können Türen zu Expertise und gemeinsamen Pilotprojekten in unserem Unternehmen öffnen. Letztlich bieten wir damit viel mehr als nur Geld. Und das ist für die allermeisten Startups, die wir ansprechen, sehr interessant.

Schnappt sich Daimler am Ende deren Know-how?

Das Know-how, was die Startups einbringen, bleibt bei ihnen. In welcher Form eine Kooperation entsteht – eine Beteiligung, gemeinsame Entwicklung oder anderes – das zeigt sich dann. Zunächst geht es innerhalb von drei Monaten darum, ein Projekt technologisch weiter zu entwickeln, und ein Geschäftsmodell daraus zu entwerfen. Nach drei Monaten ist die Sache ja noch nicht abgeschlossen. Dann kann es in eine nächste Phase gehen, in der man beispielsweise über einen längeren Zeitraum miteinander kooperiert. Da gibt es viele Varianten.

Und wie soll die Kooperation mit anderen Firmen funktionieren ohne dass man sich beim Kampf um die besten Startups gegenseitig auszustechen versucht?

Wenn es mehrere Interessenten gibt, redet natürlich auch das Startup mit. Das kennt seinen Marktwert. Wir arbeiten ja auch schon heute mit anderen Firmen zusammen – ohne Konkurrenzdenken.

Können neben ihrem augenblicklichen, amerikanischen Partner Plug and Play auch weitere Investoren einsteigen?

Momentan wollen wir in erster Linie Firmen aus der Region einladen. Aber Startup Autobahn ist ein globales Konzept, wodurch im Bereich Mobilität ein weltweit führender Innovations-Standort in Stuttgart entstehen soll. Davon profitieren alle. Wir sind auch offen für weltweit agierende Firmen. Wie sich das Ganze entwickelt, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Dürften auch konkurrierende Autohersteller mitmachen?

Es soll ein offenes Projekt sein. Wir schließen da grundsätzlich niemanden aus.

Frau Kleinschmit, ist der Zeitplan von drei Monaten nicht sehr stramm? Andere Beschleunigungsprogramme laufen sechs bis neun Monate. Es soll ja auch an ganz fasslicher Technologie gearbeitet werden.

Wir denken, dass es ausreicht, die Startups mit ihren Ideen in drei Monaten weiter voran zu treiben. Die Startups bekommen dabei auch jede Menge professionelle Unterstützung. Das reicht zum Beispiel, um einen Prototypen zu entwickeln. Und es gibt, wie gesagt, die Option einer Verlängerung auf sechs Monate.

Für Kleinschmit ist die Startup Autobahn einer von vielen Kanälen

Hat Daimler vor, das auch an anderen Standorten zu machen? Und was ist das Besondere am Stuttgarter Konzept?

Wir wollen weltweit über viele Kanäle den Kontakt zu Startups aufbauen und tun das ja teilweise auch schon – etwa im Silicon Valley, in Tel Aviv, Berlin oder Peking. Der Standort Stuttgart ist durch das Umfeld in den Bereichen Automobil und Maschinenbau sehr attraktiv. Die Startups haben hier eine große Nähe zu potenziellen Kunden. Das Besondere ist auch, dass in Zusammenarbeit mit dem Forschungscampus Arena 2036 der Universität Stuttgart auch ein modernes Hardware-Labor zur Verfügung steht. Unser US-Partner Plug and Play bietet gleichzeitig als Startup-Entwickler und -Investor die Möglichkeit, auch von Stuttgart aus globale Kontakte aufzubauen.

Was war für sie bei Plug and Play attraktiv? Und was erwartet ihr amerikanischer Partner von dem Projekt?

Für uns war die genannte globale Präsenz interessant. Wir kennen das Unternehmen ja schon aus dem Silicon Valley. Die Amerikaner reizt in Stuttgart die Verbindung zu Hardware-Themen, also zur konkreten Produktion, sowie die Nähe zu den Kunden, den etablierten Automobil- und Maschinenbauunternehmen. Wir mussten das Projekt gar nicht so sehr verkaufen. Die Amerikaner waren von Anfang an begeistert dabei.

Aber ist nicht eine der Herausforderungen der Region ihre bisherige Fixierung auf Hardware, also das produzierende Gewerbe, zu hinterfragen? Geld wird künftig vielleicht in ganz anderen Bereichen wie Dienstleistungen verdient.

Die IT wird im Bereich des Automobils nicht für sich alleine erfolgreich sein. Der Schlüssel zum Erfolg ist Verbindung von Soft- und Hardware. Und traditionelle Hardware-Hersteller brauchen die Impulse von der IT. Die Kunst ist es, beides zu vereinen – dann entstehen Innovationen. Solche Prozesse hat es im Übrigen schon früher gegeben, etwa als die Elektronik ihren Eingang in den Automobilbau gefunden hat. Das hat eine Weile gedauert. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit.

Dürfte ein Startup im Programm das Automobil als solches in Frage stellen? Etwa durch ein radikal anderes Mobilitätskonzept?

Wir sind da völlig offen. Das fördert die Kreativität. Die Überschrift ist „Mobilität“. Zur Mobilität kann natürlich auch ein Fahrzeug in irgendeiner Form gehören. Natürlich werden die Unternehmen beim Auswahlprozess der Startups darauf schauen, dass sie kompatibel sind. Im Übrigen ist Daimler schon eine ganze Weile auf dem Weg vom reinen Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter. Uns sind neue Konzepte in diesem Bereich sehr wichtig.

Will Daimler mit dem Programm auch zum Standortförderer für die Region Stuttgart werden und deren Stärken in der Welt noch mehr bekannt machen?

Wenn es uns gelingt, weiteren Erfinder- und Gründergeist in den Raum Stuttgart zu bringen, dann haben wir viel erreicht.