Urbanharbor Ludwigsburg – das ist ein Beispiel dafür, wie alte Industriebauten in ein kreatives Umfeld für Startups und Innovationsabteilungen von Konzernen verwandelt werden.

Ludwigsburg - Die Weststadt Ludwigsburg erfindet sich neu, wird zur kreativen Stadt in der Stadt, sozusagen zum „Barock Valley“. Anders als das Silicon Valley in San Francisco ist das Barock Valley, wie der Hub für deutsche Konzerne tatsächlich auch heißen soll, architektonisch ins 300 Jahre alte Stadtkonzept integriert.

 

Mitten in der Stadt und mit guter Verkehrsanbindung und Parkplätzen für die neuen Bewohner, noch dazu in Rufweite zur Landeshauptstadt, das macht die Umnutzung alter Industriebauten zum begehrten Ankerplatz.

In den 1970er und 1980er Jahren ist die innerstädtische Industrie aus dem Gesicht vieler deutscher Städte verschwunden. In Ludwigsburg hatte die Umnutzung im Jahr 1992 mit dem Werkcafé in der Rheinlandstraße begonnen, als plötzlich die Gründer-Woge Momentum gewann und seitdem die Stadt im positiven Sinne überrollt. Allenthalben suchen innovative Neugründungen ein inspirierendes Zuhause.

Urbanharbor Ludwigsburg betont die Urbanität

Von der Rheinlandstraße 10 über die Schwieberdinger Straße bis hin zur Grönerstraße erstreckt sich ein Kreativgürtel. Auf dem ehemaligen Gelände von Hüller Hille, Ziemann und anderen Industrieanlagen, die zunehmend zu leblosen Wahrzeichen und Ruinen zu verfallen drohten, pulsiert das pralle (Arbeits)Leben.

Drehbuchautor für die Stadt in der Stadt ist Max Maier, Vater des Werkzentrums Weststadt. Der Szene-Treffpunkt ist nun Teil eines größeren Ganzen, für das Tochter Madlen Maier den Namen ‚Urbanharbor‘ fand. Eine Metapher, die der Anglisierung der Startup Szene Rechnung trägt und dazu ermuntert, im Städtischen anzulanden.

Von Maschinen- zu Menschenräumen

„Wie schaffen wir die Transformation von Maschinenräumen zu Menschenräumen“, lautet die Grundsatzfrage des Baumeisters. Eine Frage, die ihn seit Jahren umtreibe und die er unverzüglich beantwortet: „Bei uns berücksichtigt dies die Aspekte Umnutzung, Funktion, Design, Architektur und Emotion.“

Ein ganz pragmatischer Ansatz, bei dem der bekennende 68er Aktivist nicht müde wird zu betonen, zu allererst komme der Mensch, danach „die entscheidende Frage der Transformation“ und wie die am besten aussehen könne. „Es ist alles gebaut“, sagt Maier und erklärt seinen Planungsansatz für die Stadt der Zukunft, einem Dorado für Kreative.

Gemeinschaftsflächen schaffen Atmosphäre

Seine Visionen haben ein festes Fundament: vorhandene Industriebrachen. Als die vier maßgeblichen Ingredienzien, die der Anlage Würze geben sollen, benennt Maier die Natur, die Menschen, die Räume und die Technik. „Konkret lautet die Frage: Was in den bestehenden Gebäuden wollen wir nutzen, welche Funktion wollen wir innen abbilden?“

Wenn darüber Klarheit herrsche, gelte es, die angestrebte Atmosphäre mit Hilfe von Architektur und Design zu erschaffen. „Und was das Allerwichtigste ist: Gemeinschaftsflächen“, sagt Tochter Madlen. Im Urbanharbor leistet dies das sogenannte ‚Speisewerk‘.

Regionales und saisonales Essen als Markenzeichen

A propos Würze: „Was interessiert den Menschen am meisten? Essen und Trinken.“ Dieses Grundbedürfnis solle das Speisewerk befriedigen. Hier geht Innovation buchstäblich durch den Magen. Zur Mittagszeit treffen Berufstätige auf den Ludwigsburger Bürger. Interaktion ist dabei programmiert. Denn der Treffpunkt mit dem industriell klingenden Namen, der suggeriert, dass hier ausschließlich saisonale und regionale Speisen angeboten werden, ist weit mehr als ein angesagtes Lokal.

Ähnlich der griechischen Agora, dem Marktplatz als Versammlungsort des Volkes und wichtigstes Handelszentrum, ist es das Herz im Werkzentrum Weststadt. Hier kann jedermann Essen aus der Region verzehren. Hier gibt es wechselnde Ausstellungen, Pianospiel, Veranstaltungen am Abend, Messen oder Diskussionen für TV Aufzeichnungen.

Die Küche im Urbanharbor Ludwigsburg ist digitalisiert

Die Küche ist komplett digitalisiert und vernetzt, der Speisende, zahlt bargeldlos via Chipkarte. Nebenbei kann er wöchentlich im Popup Store auf dem Areal Frisches aus der Region einkaufen. „Das tägliche Essen verursacht ein Drittel unseres ökologischen Fußabdrucks“, erklärt Maier. Nachhaltigkeit ist für den Unternehmer grundlegend.

Das Industrieareal Weststadt boomt. Schon gibt es den Plan, auf das Vorhandene aufzustocken und „erschwinglichen“ Wohnraum im Werkzentrum Weststadt zu bauen, sowohl für Menschen, die dort arbeiten als auch Personen, die an diesen Knotenpunkt der Kreativität und Innovation als Privatmensch andocken und aktiv Zukunft mitgestalten möchten.

Wo heute noch namhafte Firmen wie Mann+Hummel, Lotter oder BorgWarner angesiedelt sind, kommt eine attraktive Mischung aus etablierten Unternehmen, Startups und Startup Ablegern von Firmen wie Bosch zusammen. Porsche Digital, Porsche Design, der Vertrieb der Porsche AG sind schon geraume Zeit da.

In gebührender Entfernung zum Mutterhaus auf der Schillerhöhe in Gerlingen und doch nah genug, um sich rasch austauschen zu können, bezieht und gestaltet das zur Firma Bosch gehörende Startup ‚Grow‘ seine Räumlichkeiten.

Bosch hat das Gelände für sich entdeckt

Maiers Mantra: Wo können wir über Unternehmensgrenzen gemeinschaftliche Themen gestalten. Peter Guse, Leiter der Robert Bosch Startup GmbH Grow und mit seinem Startup seit wenigen Monaten Untermieter im Werkzentrum Weststadt, bescheinigt das ihm gerne: „Das ist ein Campus, wo man sich wohlfühlt. Man trifft hier wirklich Leute.“

Innovation, sagt Guse, sei tatsächlich ein Zufallsspiel. Im Urbanharbor Ludwigsburg aber könne man die Wahrscheinlichkeit zur Innovation erhöhen „und die erhöht sich durch Kommunikation.“ Gerne spricht der CEO von den drei „i“, die für fruchtbare Kommunikation notwendig seien: Information, Interaktion, Inspiration. „Das alles sollte unter einem Dach stattfinden. Deshalb bringen wir mehrere Teams in ein Gebäude, in unsere Räume samt Testhalle im Urbanharbor.“ Um viele kluge Köpfe, die voller Informationen stecken, interagieren zu lassen, müsse man sie deshalb zusammenbringen.

„Hier ist so viel Energie – diese handwerkliche Kunst. Das kann heute niemand mehr so bauen,“ sagt Maier. Der erste automatische Kühlschrank, die erste Transferstraße von Hüller Hille, all das entstand auf diesem Areal. „Und jetzt digitalisieren wir diese Gerätschaften.“ Sein Anspruch in der Weststadt ist kein geringerer, als der: „Wir bauen die produktive, die kulturelle Stadt der Zukunft. Punkt.“

Max Maier und der Urbanharbor Ludwigsburg

„Das Schönheitsideal des öffentlichen Lebens muss unser transformiertes Industrieareal werden, denn der vermeintlich unwirkliche Ort ist entgegen seines Rufs anregend und anziehend“, sagt Unternehmer Max Maier über sein Großprojekt urbanharbor.

Richtfest des Innovationscampus Urbanharbor mit einer Gesamtfläche von rund 2000 Quadratmetern war am 3. November 2016. Circa 7,5 Millionen Euro hat Maier in seine Industriebrache investiert. urbanharbor bietet das Zuhause für kreative Mitarbeiter innovativer Unternehmen, etablierte und Startups, besonders auf den Feldern Digitalisierung, Vernetzung und E-Mobilität neue Lebensformen entwickeln. Speisewerk als kommunikativ-kulinarisches Zentrum bietet im Bistrobereich kleine Gerichte und Getränke (8.30 bis 17.00 Uhr), Hauptgerichte zwischen 11.30 und 14 Uhr. 10.000 regionale Essen pro Tag werden von 35 Mitarbeitern für durchschnittlich 6,50 Euro kreiert.