Startups präsentieren sich gerne als jugendliche Unternehmen – mit dem entsprechenden Altersdurchschnitt im Team. Doch Startups und ältere Mitarbeiter können zusammenpassen, wie etwa das Stuttgarter Marketing-Unternehmen Regiohelden zeigt.

Stuttgart - Startups bieten Jungunternehmern nach eigenem Bekunden umfangreiche Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und Weiterentwicklung. Startups stecken aber auch voller Tücken, wie sie der Blogger Joel Kaczmarek in „Gründerszene“, einem Online-Magazin für die Startup-Szene, beschreibt. Kaczmarek nennt dabei neben zu viel Mitspracherecht für Investoren und einer zu geringen Beteiligung der Gründer oder gar „Arbeitsbedingungen wie auf Sklavengaleeren“ auch den Umstand, dass vornehmlich junge Menschen eingestellt würden.

 

„Vielen Startups täte es gut, ihre Teams mit etwas erfahreneren Mitarbeitern zu würzen“, schreibt daher Kaczmarek. Diese bräuchten vielleicht manchmal etwas länger beim Anlernen, behauptet er, brächten dafür aber viel Engagement mit. „Und sind wir mal ehrlich, einigen Startups tut eine gewisse Entschleunigung durchaus gut“, so der Blogger.

Startups und ältere Mitarbeiter: die Firmen-Phase entscheidet

Aber ist das wirklich so? Brauchen die auf Durchstarten getrimmten Startups mit ihren innovativen Geschäftsideen tatsächlich die Erfahrung älterer Mitarbeiter oder halten diese die Jungunternehmen in ihrer Entwicklung eher auf? „Das kommt darauf an, in welcher Phase sich das Startup befindet“, sagt Feliks Eyser, Gründer und CEO des regionalen Marketing-Startups RegioHelden GmbH in Stuttgart. Wenn ein Jungunternehmen sich daranmacht, einen Prototypen zu entwickeln und die Produktion aufzunehmen, passiert viel nach dem Motto „trial and error“.

Erfahrung spielt in dieser Gründerphase noch nicht so sehr eine Rolle wie etwa bei dem späteren Aufbau einer Massenproduktion. „Das Ganze hat dann noch einen Laborcharakter, bei dem Neugierde und Experimentierfreudigkeit im Vordergrund stehen“, weiß Eyser. Wenn man in dieser Phase die Jungen unter sich lässt, kann viel Neues entstehen, ohne dass ältere Kollegen die Bedenkenträger geben und die Rolle des Spielverderbers übernehmen.

Fürs Wachstum ist Erfahrung unverzichtbar

Der Faktor Erfahrung kommt erst ins Spiel, wenn das Startup selbst ein Stück weit älter geworden ist und wenn es darum geht, eine Firmenstruktur aufzubauen oder Mitarbeiter einzustellen. Dasselbe gilt für die Entwicklung des Einkaufs oder bei der Skalierung der Produktion. „In dieser späteren Phase geht es darum, mithilfe erfahrener Kollegen mögliche Hürden frühzeitig zu erkennen, damit Probleme erst gar nicht entstehen können“, macht Eyser klar.

Man könne in einer solchen Lage Fehler vermeiden, indem man sich die Expertise älterer Kollegen sichere, sagt dazu Ulli Spankowski, der selbst die Sowa Labs GmbH, die seit Ende 2017 eine Tochter der Börse Stuttgart ist, gegründet hat. Deshalb komme es einfach auf die gelungene Verbindung aus Jung und Alt an. „Die Kombination aus jungen Ideen, gepaart mit langjährigem Know-how, stellt den entscheidenden Vorteil dar“, so Spankowski.

Ältere Mitarbeiter sind manchmal noch zu teuer

In ihrer frühen Phase stoßen Startups aber häufig auch an ihre finanziellen Grenzen, was es für sie schwieriger macht, ältere, aber eben auch teurere Mitarbeiter bezahlen zu können. Sobald aber ein Produkt gefunden ist, das zu einem bestimmten Markt passt („Product-Market Fit“), muss man „einen Gang hochschalten“, wie Eyser es ausdrückt. Denn dann wird es wichtig für ein Jungunternehmen, das eigene Know-how um die Erfahrung älterer Mitarbeiter, die in der Regel auch mehr kosten, zu ergänzen.

Manchmal gelingt es auch, ältere Mitarbeiter dazu zu bewegen, Abstriche bei ihren Gehaltsvorstellungen zu machen, weil sie Lust haben, noch mal was Neues aufzubauen. „Als Startup hat man schließlich auch tolle Argumente auf seiner Seite“, weiß Eyser, dessen Firma RegioHelden 2015 von dem Außenwerbekonzern Ströer übernommen worden war. Auch das Angebot einer Beteiligung am Unternehmenserfolg kann gegebenenfalls helfen, ältere Mitarbeiter zu gewinnen.

Jungunternehmer werden noch jünger

Betrachtet man nun das Durchschnittsalter der Jungunternehmer, kann man für 2017 im Jahresvergleich eine Verjüngung feststellen. Laut dem vom Bundesverband Deutsche Startups herausgegebenen Startup Monitor sind die Teams der Startups mit 35,3 Jahren durchschnittlich um rund ein Jahr jünger als 2016. Dies ist auf einen Anstieg der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren von fünf auf sechs Prozent an allen Startup-Teams zurückzuführen. Mit 48 Prozent machen die 25- bis 34-Jährigen die größte Gruppe aus, gefolgt von den 35- bis 44-Jährigen (29,9 Prozent). Dagegen liegen die Anteile der 45- bis 54-Jährigen und über 55-Jährigen bei 12,0 beziehungsweise 4,0 Prozent.

Das Kriterium Altersstruktur ist einer von mehreren Faktoren, der die Diversity, also die Vielfalt innerhalb einer Unternehmung, widerspiegelt. Es hat sich gezeigt, dass ein monokulturell ausgerichtetes Unternehmen mit konformen Sichtweisen eine höhere Betriebsblindheit aufweist als eine vielfältig aufgestellte Firma, die unterschiedliche Lebensmodelle und damit auch verschiedene Generationen umfasst.

Wie eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY in Kooperation mit Charta der Vielfalt e. V. zeigt, sind sich 65 Prozent der Unternehmen der Tatsache bewusst, dass die Einbindung unterschiedlicher Lebensmodelle, kultureller Perspektiven und Erfahrungen dem eigenen Unternehmen Vorteile bringt. Oder anders ausgedrückt: Startups und ältere Mitarbeiter, das bedeutet dank der Diversität auch deutlich bessere Chancen im Wettbewerb.

Startups und ältere Mitarbeiter brauchen dasselbe „Mindset“

Entscheidend aber für die dauerhaft erfolgreiche Zusammenarbeit der unterschiedlichen Generationen ist, dass die Menschen ähnlich ticken. „Die Chemie muss eben stimmen“, so Eyser. Startups und ältere Mitarbeiter – das sei eine Frage der Einstellung. „Wir haben alle das gleiche Mind-Set“, sagt er über die rund 300 Mitarbeiter von RegioHelden, die eine Altersspanne von 18 bis über 50 Jahren aufweisen. Das Alter im Kopf spielt also auch eine Rolle. Eyser meint damit die „Lust auf Startup“, die ein hohes Arbeitstempo und permanente Veränderungen mit sich bringt. Und diese Lust scheint bei den deutschen Startups durchaus in höherem Maße als unter Arbeitnehmern vorhanden zu sein.

In Anlehnung an die jährlich durchgeführte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zur Lebenszufriedenheit deutscher Arbeitnehmer wurden die für den Start-p Monitor befragten Gründer gebeten, ihre derzeitige Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn anzugeben. Und siehe da, die Ergebnisse zeigen, dass Gründer mit einem Wert von 7,8 (2017) weiterhin deutlich zufriedener mit ihrem Leben sind als Arbeitnehmer (2016: 7,0). Die Lust auf Startup ist also durchaus messbar.