In lockerer Reihe stellen wir Finalisten des im Oktober verliehenen Landespreises für junge Unternehmen vor: Nur hundert Mitarbeiter hat Kunbus aus Denkendorf, aber setzt bei der Vernetzung von Maschinen Standards.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Denkendorf - Ein wenig Werkbank-Atmosphäre steckt immer noch in der Industrie 4.0. In der Fabrikhalle von Kunbus in Denkendorf zischt und tackert es. Mitarbeiter fädeln an einer automatisierten Fertigungsstraße Bänder ein, die wie Filmrollen aussehen. Auf ihnen sind mikroskopisch kleine Chips, Kondensatoren und elektrische Widerstände platziert, die dann in der Maschine präzise an den gewünschten Punkt auf einer Platine drapiert werden. Am Ende verschwinden die Platinen in gelben, mit USB-Anschlüssen und anderen Verbindungsmöglichkeiten versehenen Plastikgehäusen. Diese Hardware ist Kern des Kunbus-Angebots. Solche industrietauglichen Elektronikbauteile lassen sich in der nötigen Qualität besser in Deutschland als in Asien produzieren.

 

Doch Kunbus ist viel mehr als Hardware. Die Boxen dienen als Daten-Übersetzer. In der Produktion gibt es heute noch keinen einheitlichen Datenstandard. Nur mithilfe der Bauelemente von Kunbus können Maschinen untereinander kommunizieren und sich mit dem Internet verbinden. Und genau diese Vernetzung ist der Schlüssel zum sogenannten Internet der Dinge, was in Deutschland oft unter dem etwas zu engen Begriff Industrie 4.0 gefasst wird.

Industrielle Kommunikation ist bei Kunbus vielfältig

Das Geschäftsmodell von Kunbus besteht deshalb aus viel mehr als dem Verkauf von Elektronikkomponenten. „Kunbus – industrial communication“ steht auf dem Firmenlogo. Und Kommunikation in vielerlei Facetten ist der Kern des Geschäfts. Das 2008 gegründete Unternehmen lässt nicht nur Maschinen miteinander reden, sondern nutzt intensive Kommunikation und Austausch mit Kunden und externen Entwicklern als Schlüssel zur Innovation.

So ist etwa jüngst beim Gespräch mit einem Kunden aus der Schweiz die Idee eines vernetzten Putzlappens geboren worden. Das klingt erst einmal seltsam. Doch im Krankenhausbereich fehlt es heute an der präzisen Dokumentation über die Reinigung von Böden und Räumen. Heute muss dies noch von Hand protokolliert werden. „Wir hatten mit dem Kunden zusammen die Idee, auf jedem Lappen einen QR-Code aufzubringen“, sagt der Kunbus-Projektleiter Volker de Haas. Solche Codes lassen sich mit einem Handy oder iPad abfotografieren und in ein IT-System einspeisen. So lässt sich lückenlos verfolgen, wo und wann einer der mit einem speziellen Desinfektionsmittel präparierten Lappen verwendet wurde. „Sie könnten auch die Bewegungen des Wischmopps erfassen – dann wissen sie, ob tatsächlich gewischt wurde“, sagt de Haas. Natürlich sei das nicht für jede Toilettenreinigung sinnvoll: „Aber im Krankenhausbereich ist das eine sehr sinnvolle Anwendung.“

Soziale Medien sollen künftig zum Werkzeug werden

Auf solche Ideen kommt man nicht allein. Und so bedeutet nach Meinung von de Haas Industrie 4.0 viel mehr als die Anwendung neuer Technologien. Es geht um ganze Geschäftsmodelle. Hardware und Software, Verkäufer und Kunden, Geschäftsideen und Technologie gehören zusammen. Innovation ist heute Co-Innovation, die nur funktioniert, wenn man sich wie Kunbus nicht nur als Hersteller, sondern auch selbst als „Vernetzer“ versteht – und sehr viel kommuniziert. „Wir beschäftigen uns zurzeit intensiv auch mit der Nutzung von sozialen Medien“, sagt de Haas. Das ist für eine kleine Firma mit rund 100 Mitarbeitern, die Geschäftskunden hat, in Deutschland eher ungewöhnlich.

Kunbus hat sich dem einst von IT-Tüftlern erfundenen Konzept der offenen Innovation („open source“) verschrieben: Quellcodes und Software sind kein eifersüchtig gehütetes Geschäftsgeheimnis, sondern bewusst lässt man eine internationale Gemeinschaft externer Entwickler ihr Feedback und ihre Ideen einbringen. Schon vor dem offiziellen Start des neuesten Produkts hatte der Newsletter zu dem Thema bereits 300 Abonnenten. Das freundschaftliche Du im Anschreiben ist da übrigens selbstverständlich.

Das revolutionäre Gerät ist ein Minirechner, der klein, billig und robust genug ist, um in jede Maschine eingebaut werden zu können. Vorbild ist ein von einer gemeinnützigen Stiftung in Großbritannien ursprünglich als billiges Hilfsmittel für Studenten entwickelter Kompakt-Computer namens „Rasperry Pi“, der seit seinem Start im Jahr 2012 zu einem durchschlagenden Erfolg wurde. Um diesen robusten, kompakten und billigen Computer herum haben sich inzwischen eine weltweite Entwicklergemeinschaft und ein ganzes sogenanntes Ökosystem an Anwendungen und Software etabliert. Acht Millionen IT-Experten entwickeln heute weltweit den britischen „Rasperry Pi“ weiter.

Vom Whisky-Vertrieb zu „Revolution Pi“

„Revolution Pi“ hat man in Anspielung an diesen Erfolg das neue Kunbus-Bauteil selbstbewusst genannt. Bei Kunbus macht man keinen Hehl daraus, dass man damit einen Standard setzen und aus Denkendorf heraus einen grundlegenden Baustein für die Industrie 4.0 etablieren will. Allein aus eigener Kraft, ohne die Entwicklergemeinschaft, wäre das nie zu schaffen.

Diese unorthodoxe Herangehensweise ist typisch für eine Firma, die vor knapp acht Jahren auch aus einem ungewöhnlichen Impuls heraus gegründet wurde. „Den Anstoß gab eine Firma, die sehr viele solcher Geräte verbaute – und dachte, dass die doch viel billiger herzustellen sein müssten als das bisherige Angebot“, sagt de Haas. Doch das Unternehmen wollte das nicht selbst entwickeln. Man suchte gezielt nach einem externen Lieferanten, der das Projekt vorantreiben sollte.

In Martin Kunschert, einem gründungsbegeisterten Ökonomen, fand man den Mann mit dem richtigen Geschäftsinstinkt. Er ist selbst kein Ingenieur und hat sich auch schon einmal an einem Whisky-Vertrieb versucht. Doch nicht die Technik, sondern der Unternehmergeist waren der Schlüssel für die Gründung – und insofern war Kunschert der Richtige. Das offene, innovative Geschäftsmodell habe nur außerhalb von etablierten Strukturen eine Chance gehabt, davon ist de Haas überzeugt. Und auch acht Jahre nach der Gründung will die Firma immer noch flexibel wie ein Startup bleiben

Steckbrief: Kunbus GmbH

Die 2008 gegründete Kunbus GmbH ist unter anderem Spezialist im Bereich von sogenannten Feldbus-Bauteilen, die dafür sorgen, dass Maschinen miteinander kommunizieren können. Zum Angebot gehören Protokollübersetzer für industrielle Netzwerke, PC-Karten sowie Netzwerkdiagnose- und Überwachungsgeräte. Zudem bietet Kunbus kundenspezifische Entwicklungs-und Projektdienstleistungen an. Mit der Ende 2016 auf den Markt kommenden „Revolution Pi“ erweitert Kunbus sein Angebot um den Bereich Industrierechner und industrielle Kleinsteuerungen.An den Standorten in Denkendorf bei Stuttgart sowie in Ettlingen bei Karlsruhe sind mehr als 100 Mitarbeiter in der Produktion und Entwicklung beschäftigt.