Wie können Mittelständler von Startups profitieren? In seinem Buch „Der Startup Code“ gibt Johannes Ellenberg vom inzwischen zum Beratungsunternehmen gewordenen Startup-Förderer Accelerate Stuttgart praxisnahe Antworten.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Dass die Verständigung zwischen Mittelständlern und Startups nicht immer einfach ist, damit hat Johannes Ellenberg eigene Erfahrungen. Als er 2012 Accelerate Stuttgart startete, eine Plattform zur Förderung von Startups in der Frühphase, erlebte er, wie schwierig es war potenzielle Partner aus der einheimischen etablierten Wirtschaft von einer finanziellen Kooperation zu überzeugen.

 

Doch das Klima beginnt sich zu ändern: Dass in Ellenbergs einstigen Startup-Zentrum Accelerate Spaces inzwischen der Startup-Zweig Certeo des Stuttgarter Spezialversenders Takkt eingezogen ist, kann man dafür als Symbol sehen. Der Startup-Experte hat jetzt seinen ganzen Erfahrungsschatz in ein Buch gepackt. „Der Startup Code“ heißt es. Dies will ein praktischer Leitfaden sein, der – wie der Untertitel besagt – erklären soll „was der Mittelstand von Startups lernen kann und muss.“ Er beschreibt, was Startups anders machen und warum sie seiner Ansicht nach besser für die Zukunft gerüstet sind.

Der Startup Code ist gespickt mit praktischen Erfahrungen

Wer das mit einer Internetseite gekoppelte Buch in die Hand nimmt, der merkt nach dem Einleitungskapitel, das einige bekannte Stichworte und Statistiken zum digitalen Wandel wiederholt, dass hier ein Praktiker zu Wort kommt. In einem ersten Teil erläutert Ellenberg die Besonderheiten von Startups wie flache Hierarchien und frühes, direktes Kundenfeedback. Für denjenigen, der sich bisher nicht intensiv mit der Startup-Welt befasst hat, ist das Buch nebenbei ein Kompendium, das viele Vokabeln aus dem Startup-Bereich übersetzt. Was ist ein Hackathon? Was ist eine Seed-Phase? Oder ein Lean-Startup und Design Thinking?

„Der Startup Code“ ist zudem gespickt mit Fallbeispielen insbesondere aus Baden-Württemberg. Viele Kapitel enden mit Handlungstipps und konkreten Fragen: „Werden ihre Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse eingebunden?“ Oder:“Was soll eine Digitaleinheit tun? Gibt es geeignete Suchfelder für geeignete Geschäftsmodelle?“ Und der „Startup Code“ endet mit Ellenbergs eigenem Sieben-Punkte-Programm für Innovation. Das reicht von von „Stelle das Warum an den Anfang“ über „Suche die Wahrheit außerhalb des Unternehmens“ bis „Zuerst geben!“, wo die Bereitschaft gemeint ist, eigenes Wissen und Kompetenzen extern zu teilen.

Ellenberg ist von seiner Sache voll überzeugt

Ellenberg schreibt mit Optimismus und manchmal missionarischem Schwung. Doch das Buch käut nicht nur die inzwischen von jedem besseren Berater beherrschten Innovations-Schlagworte wider, sondern hinterfragt sie teilweise auch. Die derzeit modischen Modelle, einfach verstärkt als Dienstleister aufzutreten („as-a-Service-Modelle“) hält der Autor etwa für einen kurzlebigen Ausweg. Auch ein solches Geschäft könne von größeren, firmenübergreifenden Plattformen schnell aufgesogen werden.

Ellenberg ist kein Technokrat. Er glaubt fest daran, dass jede Veränderung vom Menschen ausgeht und dass die Unternehmenskultur insgesamt und nicht die eine oder andere Startup-Methode der Schlüssel dafür ist, im Zeitalter der Digitalisierung zu überleben.

Dass dies eine Revolution ist, die Wirtschaft und Gesellschaft radikal umkrempelt, sieht Ellenberg positiv. Ein Bedenkenträger ist er gewiss nicht. Doch funktioniert beispielsweise die Ökonomie des Teilens wirklich, wie sie einst propagiert wurde? Oder ist es nicht einfach knallharter Kapitalismus in neuem Gewand – wie es etwa der an vielen Fronten zurzeit unter Druck geratende Fahrtendienstleister Uber demonstriert?

Haben Startups nur Sonnenseiten?

„Das Gesetz für Scheinselbstständige ist für viele Freischaffende eine Lachplatte“, schreibt Ellenberg. Doch sind sie wirklich „gerne bereit, selbst für ihre Kranken- und Sozialversicherung aufzukommen?“ Und sind Gesetze zur Arbeitszeit wirklich nur altmodische Hemmnisse? Oder sollte man sie vielleicht nicht abschaffen, sondern intelligenter gestalten? Und welchen impliziten Druck bedeutet es, wenn wie bei Google die Ziele für jeden Mitarbeiter permanent für Jedermann transparent sind? Haben sich in der Startup-Welt wirklich alle lieb?

Es ist zugegebenermaßen nicht die Aufgabe eines praxisorientierten Handbuchs, dies zu hinterfragen. Aber wenn Ellenberg etwa das hohe Lied der Schnelligkeit gegenüber der langfristigen Planung singt, dann muss er auch damit rechnen, dass die aus einer anderen Kultur kommenden Mittelständler auch Schwachstellen der Startup-Kultur reflektiert haben wollen. Das kommt trotz ins Buch durchaus eingeflochtener kritischer Fragen insgesamt etwas kurz.

Nutzwert für die Zielgruppe

Doch unterm Strich ist das Buch sehr verständlich, griffig, übersichtlich und lesbar – als Einstieg in das Thema ist es für die anvisierte Zielgruppe aus dem Mittelstand in der Tat gut geeignet. Und dass Ellenberg es mit der These, dass es in der neuen Startup-Welt auch um Ideale geht, selber ernst meint, zeigt er auch mit der Tatsache, dass ein Teil der Erlöse aus dem Buchverkauf an das Stuttgarter Entwicklungsprojekt Stay geht.

Hier will man Entwicklungshilfe aufziehen, indem man weltweit Entrepreneure und Startup-Gründer in ärmeren Ländern fördert und so die These „Hilfe zur Selbsthilfe“ wirklich mit Leben erfüllen möchte.

Johannes Ellenberg : Der Startup Code. Status Verlag Esslingen, 271 Seiten, 27,65 Euro.