Jelena Halar aus Filderstadt entwickelt und vertreibt mit ihrem Startup Planet Bamboo Alternativen zu Plastikprodukten wie Zahnbürste oder Kaffeebecher.

Freizeit & Unterhaltung: Bettina Bernhard (bb)

Filderstadt - Von der Schachtel aus Recyclingpappe lacht ein Pandabär mit einer Zahnbürste in den Pfoten. Genau die steckt auch drin im Karton und besteht aus dem Lieblingsfutter des putzigen Bären – Bambus. Natürlich ist sie nicht zum Aufessen gedacht, sondern dazu, Kinderzähnchen zu putzen, ohne damit den globalen Plastikmüllberg weiter zu vergrößern. Selbstverständlich wird dazu nicht dem Pandabären das Futter geklaut: Der Moso-Bambus, aus dem der Zahnbürstengriff besteht, steht nicht auf dessen Speisekarte.

 

„Etwas Nachhaltiges“ sollte es sein, was Jelena Halar und ihr Freund Anton Hermann 2015 aufbauen wollten. Ein zweites Standbein sollte der gelernten Speditionskauffrau und dem Maschinenbaustudenten vor allem etwas Geld in die Reisekasse bringen, aber sie wollten sich auch beruflich und thematisch ein bisschen breiter aufstellen und eigene Vorstellungen entwickeln. „Ideen, was man ausprobieren könnte, hatten wir viele“, erzählt die 27-jährige Firmengründerin.

Nach gründlichen Diskussionen setzte sich die frischgebackene Vegetarierin mit dem Wunsch nach einem kleinen bisschen Welt retten durch, und das Ziel Plastikvermeidung war definiert. Die finale Entscheidung fiel in Taiwan, wo Anton ein Auslandssemester absolvierte und Jelena Halar ihn besuchte: Bambus sollte es werden, der schnell nachwachsende Rohstoff, der ohne Dünger und Pestizide gedeiht.

Jelena Halar hat vor dem Start von Planet Bamboo gründlich recherchiert

„Als ich wieder zu Hause war, habe ich wie wild recherchiert, was es gibt und wie der Markt aussieht“, erzählt die gebürtige Filderstädterin mit kroatischen Wurzeln. Mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung für ihre Sache schildert sie, wie sie auf die Bambuszahnbürsten stieß und sich auf die Suche nach vertrauenswürdigen Lieferanten machte, was ihr als Speditionskauffrau mit internationaler Erfahrung nicht schwerfiel. Wie sie zig Muster bestellte in unterschiedlichen Formen, Farben und Qualitäten und die ganze Familie und den Freundeskreis als Testkandidaten einspannte, zum Zähneputzen, was die Borsten hielten. Als klar war, wie das Produkt aussehen sollte, beauftragte das Paar eine Firma nahe Schanghai mit der Fertigung.

„Im Moment kommen alle unsere Produkte aus China. Das ist einerseits blöd mit dem Transport. Auf der anderen Seite kommt der Rohstoff Bambus von dort – einmal muss der Weg also sowieso gemacht werden“, sagt Halar. Aber man habe eine in Sachen Umweltschutz und Arbeitsbedingungen zertifizierte Firma ausgesucht und Hermann hatte sie bei einer Asientour besucht. Dieses Jahr will das Paar alle Lieferanten von Planet Bamboo persönlich aufsuchen.

Halar hatte die Ideen für Logo und Verpackung von Planet Bamboo

Die Zahnbürsten – drei Sorten für Erwachsene und die liebevoll gestalteten Kinderzahnbürsten mit eingelaserten Erkennungszeichen – waren das erste Produkt, das Bamboo Planet 2016 auf den Markt brachte. Die Ideen und Entwürfe für Logo und Verpackung oder die netten Tipps, den Pandabären auszuschneiden und als Lesezeichen zu verwenden oder die Zahnbürstengriffe beschriftet im Kräuterbeet zu recyceln, stammen von Jelena Halar. Seit Februar dieses Jahres ist sie als Geschäftsführerin in Vollzeit mit dem Ausbau des jungen Unternehmens beschäftigt. Die GmbH ist in Gründung, ein professioneller Businessplan in Arbeit und die Saat für ein funktionierendes Unternehmen gelegt – und auch schon ein bisschen aufgegangen.

2016 ging der Online-Shop von Planet Bamboo bei Amazon an den Start, die ersten Zahnbürsten wurden verkauft. Alles in überschaubarem Rahmen, denn das Startkapital betrug lediglich 4000 Euro und stammte aus dem Ersparten. „Es lief gut von Anfang an“, erinnert sich Halar, „bis plötzlich über Nacht die ganze Kalkulation futsch war.“ Zu den diversen Anbietern, die allesamt mit Preisen um die 20 Euro für ein Vierer-Set arbeiteten, hatte sich ein Neuer gesellt, der mit einem Kampfpreis von zwölf Euro an den Start ging. „Dem Rest blieb nichts übrig, als nachzuziehen“, sagt Halar. Heute hat sich der Marktpreis bei etwa zwölf Euro eingependelt. Doch damals war die Gewinnmarge erst mal bei nahezu null, zumal fast zeitgleich Amazon die Preise erhöhte.

Ein Produkt war für Planet Bamboo zu wenig

Was das Gründerpaar daraus lernte, war: Ein Produkt ist zu wenig! Also ging Jelena Halar auf die Suche und fand kompostierbare Müllbeutel aus Maisstärke. Die dürfen zwar hierzulande in vielen Kommunen nicht in die Biotonne, aber beispielsweise in Spanien, wo noch viele private Komposte gepflegt werden, verkauft er sich gut. „Das ist zur Zeit unser bestlaufendes Produkt“, so die Gründerin. Planet Bamboo verkauft davon etwa 500 000 Beutel pro Jahr.

Nach den Mülltüten 2017 gesellten sich 2018 Bambusbecher zur Produktpalette. Jelena Halar nimmt einen vom Schreibtisch im jüngst bezogenen Coworking-Büro im Stuttgarter Süden und erklärt das altrosa-farbene Produkt: „Hergestellt aus Bambusmehl, Maisstärke, Melamin und Silikon. Nicht zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen, aber plastikfrei und natürlich Mehrweg.“ Freundlich, offen und kompetent wirkt sie – auch bei Präsentationen, etwa auf der Autarkia-Messe auf den Fildern, dem „NatureVision“-Filmfestival in Ludwigsburg oder dem Heldenmarkt in Stuttgart. Dieses Jahr sollen noch Bambusstrohhalme und plastikfreie Zahnseide aus Naturseide im Glasflakon das Angebot ergänzen.

Feedback von Zahnärzten wurde bei der Entwicklung einbezogen

Letzteres entwickelte sich aus einem Zufall, den die junge Frau beherzt am Schopf packte: „Eines Tages fragte ein Dentallabor, ob wir ihm nicht Zahnbürsten mit ihrem eigenen Logo verkaufen können.“ Sie habe kurz überlegt, dann zugesagt und es gemacht. Nachdem dann noch einer und noch einer kam, unternahm sie zweierlei. Zum einen eine Akquiserunde bei Berliner Zahnärzten. Die bestellten nicht nur vereinzelt Zahnbürsten, sondern gaben Rückmeldung dahingehend, „dass unser Produkt eine sinnvolle und hübsche Idee, aber aus fachlicher Sicht nicht perfekt sei“.

Deshalb experimentiert die Gründerin jetzt zusammen mit einer Zahnhygienikerin mit Borstenlänge, -zahl und -stellung herum, um die perfekte Zahnbürste für Zahnärzte zu produzieren. Idee Nummer zwei war, die B2B-Schiene auszubauen. Deshalb kreiert Halar gerade ein ganzes Mundhygiene-Set mit Bambus-Zahnbürsten und Natur-Zahnseide, das Zahnärzte oder Dentallabors mit ihrem Hausdesign als Kundenpräsente verwenden können.

Die Ideen gehen Jelena Halar so schnell nicht aus

Die Ideen gehen der jungen Frau nicht so schnell aus, die Begeisterung auch nicht und damit auch nicht die Arbeit. Aktuell bastelt sie Konzepte und eine neue Homepage, beantwortet Anfragen und erstellt Angebote. Denn jetzt, wo sie ihren letzten Speditionsjob, den sie zuletzt auf Teilzeit reduziert hatte, endgültig gekündigt hat, muss der Betrieb laufen. Allerdings weiterhin ganz schwäbisch-solide. Investiert wird nur, was an Gewinn hereinkommt, weder an Kredite noch gar einen Auftritt in einer Gründershow ist gedacht. „Nachhaltig gilt in jeder Hinsicht – also auch nicht auf Pump eine Firma gründen“, sagt Jelena Halar.

Die Eltern, brave, langjährige Mitarbeiter eines schwäbischen Mittelständlers, sahen die Pläne ihres einzigen Kindes anfangs sehr skeptisch. „Inzwischen sind sie sehr stolz und unterstützen mich nach Kräften“, freut sich die Gründerin. Auch der Freundeskreis fand es toll und ließ sich sogar zum Teil davon anstecken, Verbesserungsvorschläge zu machen.

Der Freund ist selbst ein Gründer

Und der Freund, inzwischen fertig studiert und selbst Gründer im IT-Bereich, war sowieso das Vorbild. Am meisten an der Selbstständigkeit schätzt Jelena Halar die freie Zeiteinteilung, die Selbstbestimmung und die Kreativität. „Dafür nehme ich gerne in Kauf, dass ich weniger Geld verdiene.“

Hauptsache, es reicht erst einmal, um ab und zu der Lieblingsbeschäftigung (außer Firmengründen) frönen zu können: Rucksackreisend durch Asien zu tingeln, mal mit Partner, mal mit Freundin oder allein.

Gründertipps von Jelena Halar

An welchem Ort kommen Ihnen die besten Ideen?

Das ist wahrscheinlich in meinem Bett. Da kann ich in Ruhe über meinen Tag und das Erlebte nachdenken. Wenn mir dann eine gute Idee kommt, schreibe ich sie mir sofort für den morgigen Tag auf.

Wie wappnet man sich gegen den Schock, wenn die tolle Idee mit der bitteren Realität konfrontiert wird?

Dafür sollte man an der Basis, nämlich dem unternehmerischen Mindset arbeiten. Geschäftsideen lauern an jeder Ecke, wenn man den Blick dafür trainiert. Also nicht schlimm, wenn mal eine nicht klappt.

Aus welchem Scheitern haben Sie das meiste gelernt?

Blindes Vertrauen – das werde ich nie mehr tun.

Was ist der größte Irrtum, wenn es darum geht, kreativ sein zu wollen?

Dass Kreativität vom Himmel fällt. Je größer die eigene Wissensbasis, desto mehr Kombinationsmöglichkeiten hat das Gehirn, um Ideen zu entwickeln. Und diesen Faktor kann man selbst beeinflussen.

Wann haben Sie selbst mal zu jemandem „Das geht nicht!“ gesagt?

Regelmäßig und das ist auch wichtig. Nein sagen zu können ist essenziell, um seinen Fokus auf die Ziele zu bewahren. Auch sollte man seine Integrität stets bewahren und nicht etwas tun, was gegen die eigenen Prinzipien ist.

Welcher Erfinder der Geschichte wären Sie gern gewesen?

Es gibt einige Erfinder, die mich beeindrucken, wie Elon Musk oder Jeff Bezos. Sie haben wahnsinnig viel erreicht und verändert beziehungsweise tun das immer noch. Da ich aber nicht zu 100 Prozent hinter ihren Projekten und ihrer Philosophie stehe, möchte ich keiner von beiden sein.