Innovationsprojekte bei Stihl werden auf unterschiedlichen Wegen und mit einer großen Offenheit für die Startup-Kultur gesucht. Auch ein bisschen Spielgeld gehört für den Sägenhersteller beim Experimentieren mit neuen Produkten dazu.

Stuttgart - Wolfgang Zahn, der Entwicklungsvorstand bei Stihl hat einen Leitsatz: „Wer Geld investiert, muss eine große Menge seriös investieren. Man braucht aber auch ein wenig Spielgeld – ohne die Gewähr, dass daraus ein Bluechip wird.“ Neben der Digitalisierung des Unternehmens an sich im Sinne von Industrie 4.0 tüftelt Stihl seit etwa drei Jahren auch daran, welche digitalisierten Produkte seinen Kunden zusätzlichen Nutzen schaffen. Die unverändert hohe Eigenkapitalquote von 70 Prozentermöglicht Stihl langfristiges Planen und langen Atem. Geld für Neues einsetzen, gezielt und spielerisch, lautet das Motto für Innovationsprojekte bei Stihl.

 

Startup-Hochburg Tel Aviv als neues Standbein

Produktionsstandorte hat Weltmarktführer Stihl überall: Deutschland, Schweiz, Österreich, als größten Standort Virginia Beach (USA), Brasilien, China mit mehreren Standorten und die Philippinen. Neu dazugekommen als achtes Standbein ist die Startup-Hochburg Tel Aviv. Wenngleich es bisher nur eine minimale Präsenz gibt, zeigt sie doch: Wir sind dabei, spielen mit im sich rasant entwickelnden Markt der vernetzten Produkte.

Die intelligente Beregnung von Gartenanlagen war die logische Fortführung der Angebotspalette bei Stihl. Sie führte zur Beteiligung am israelischen Startup Green IQ mit rund 35 Prozent im Januar dieses Jahres. In Tel Aviv entwickelt eine kleine Software-Mannschaft, die mittlerweile von neun auf zwölf Personen gewachsen ist, komplett die IT für die Rasenberegnung.

Der Stihl-Vorstandsvorsitzende macht die Entdeckung

Auslöser für die Gespräche mit Odi Dahan, Elektroingenieur und Gründer von Green IQ, war der technikbegeisterte Spieltrieb des Gartenfreundes Bertram Kandziora, Vorsitzender des Vorstandes bei Stihl. Im Sommer des vergangenen Jahres bestellte und testete er privat die ersten von Green IQ erhältlichen Produkte. „Er war so begeistert, dass er mich anrief und fragte: ‚Warum machen wir so etwas nicht?‘“, sagt Zahn. Natürlich könne Stihl ein solches Produkt auch machen. Aber bis man es produziere, vergehe Zeit: „Odi Dahan hat Ideen, wir haben Geld.“

„Wie wir in unserem Kopf macht sich das Gerät ständig Gedanken. Nur dass es noch schlauer ist als wir, weil es die Daten permanent vorliegen hat und übers Internet mit dem aktuellen Wetterbericht verbunden ist“, so beschreibt Zahn die Funktionsweise des tellergroßen Produktes. „Außerdem kaufen sich immer mehr Menschen die eigene lokale Wetterstation. Die kann man ganz einfach integrieren und damit noch akkurater kalkulieren, ob und wie viel es zu beregnen gilt.“ Bestens vernetzt steht das kleine intelligente Gerät dann irgendwo im Haus und kann mit einem Ausgang von 24 Volt, der üblichen Stromstärke von Wasserventilen, bis zu 16 Wasserventile ansteuern, die es öffnet oder schließt.

Ein normal großer privater Garten braucht für gewöhnlich ein bis zwei Wasserventile. „Die Intelligenz und die Elektronik dazu stammen aus Israel“, sagt Zahn. Speziell nach den Vorstellungen von Stihl kann sich das Beregnungssystem in der zweiten Evolutionsstufe mit dem Rasenrobotermäher I-mow vernetzen, sodass beispielsweise nicht beregnet wird, wenn das Gerät mäht. Zahn spricht von „unheimlich vielen Möglichkeiten“, die heutige Kleinstcomputer anbieten können.

Die Motorsäge weiß, wann es regnet

„Mal angenommen, wir haben die Motorsäge auch vernetzt, sie liegt im Garten und das Gerät weiß, dass es demnächst regnet. Dann kann mir die Motorsäge natürlich ein Warnsignal auf mein Smartphone geben.“ Auf die Frage, ob Green IQ dieses Wissen dann nicht auch für Produkte anderer Hersteller einsetzen kann, reagiert er gelassen: „Über kurz oder lang wird es nur noch offene Systeme geben. Denn Kunden wollen unterschiedliche Produkte von unterschiedlichen Herstellern und erwarten, dass sie alle miteinander kommunizieren können.“Man sucht nach Schnellbooten zusätzlich zum erfolgreichen Tanker Stihl. und will mit überschaubarem finanziellem Einsatz möglichst schnell eine Produktidee testen. Deshalb, und nicht zuletzt auch um sich beim Kampf um Talente als junger unkonventioneller Arbeitgeber zu profilieren, hat man für Innovationsprojekte bei Stihl unweit der eigenen Werkstore Räumlichkeiten als Spielwiese angemietet.

Startup-Kooperation mit dem Programm Activatr

Im Rahmen des zusammen mit den Stuttgarter Startup-Coaches der Firma Pioniergeist organisierten, mehrmonatigen Programms Activatr arbeiten Stihl-Mitarbeiter in gemischten Teams mit zwei bis drei externen Teammitgliedern zusammen, die Startup-Erfahrung mitbringen. Die Stihl-Mitarbeiter beziehen weiter ihr Gehalt, werden aber für die Monate ihrer Arbeit am anvisierten neuen Produkt freigestellt. Ausgang ungewiss. Neben der Frage, ob das Produkt letztlich in Serie geht, kann sich auch der Mitarbeiter überlegen, ob er zum Unternehmen zurückkehren oder Startup- Unternehmer werden will.

Mit seinem smarten grünen Daumen scheint das Startup ‚Växt‘ ins Schwarze getroffen zu haben. Es ist das erste von derzeit zwei kleinen Startups, die Stihl über ein halbes Jahr finanziert. Das vierköpfige Team wird sein Produkt rechtzeitig zu Weihnachten realisieren und seinen Bestellkunden zuschicken können.

In den Topf jedweder Pflanze kann ein batterieloser Sensor gesteckt werden. Über die „formschöne“ Mobileinheit, sagt Kai Ondratschek, wird der genaue Gießbedarf jeder vernetzten Pflanze ermittelt. Aufgrund ihrer Intelligenz lernt das System bei jedem Gießen den Wasserbedarf der Pflanzen und das individuelle Gießverhalten seiner Benutzer besser kennen. Schon geht das Programm Activatr in die nächste Startup-Runde, und wieder werden zwei Teams von Stihl dabei sein im Bestreben, die eigene Produktpalette noch smarter zu machen.

Die Innovationsprojekte bei Stihl

Green IQ – Beim israelischen Unternehmen Green IQ geht es um vernetzte Produkte für den Garten. Das Gerät wird zwischen 250 und 500 Euro kosten und soll rund 50 Prozent Wasserverbrauch sparen. Kaufen kann man das Gerät vermutlich Ende des Jahres, spätestens aber nächstes Jahr

Activatr – Neben ihrer Beteiligung an Green IQ ist die Teilnahme am Programm Activatr eines der Innovationsprojekte bei Stihl, in dem auf Vermittlung der Stuttgarter Pioniergeist GmbH erfahrene Startup Gründer mit etablierten Unternehmen zusammenarbeiten, um innovative Ideen für die digitale Zukunft schneller zur Marktreife zu bringen. Derzeit fördert Stihl Växt und Freiraum.

Växt – Nachdem sich das Crowdfunding via Kickstarter übererfüllt hat, beginnt Växt bald mit der Produktion. Ob bis zur Weihnachtszeit auch schon der Verkauf über Vertriebspartner gelingt, ist angesichts des ambitionierten Zeitrahmens von Prototyp bis Produktion noch offen. www.växt.de

Freiraum – Beim Startup-Team ‚Freiraum‘, der Name ist Programm, sollen digitale Dienste insbesondere kleinen Betrieben in Forst-, Wald- oder Landwirtschaft die Büroarbeit vereinfachen. Freiraum ist noch in der Aufbauphase: www.freiraum.xyz.