Alle reden über E-Mobilität. Dabei gibt es mit synthetischen Kraftstoffen, den so genannten E-Fuels auch heute schon eine Alternative. Doch wie realistisch ist sie? Dafür sucht man auch an der Uni Stuttgart Antworten.

Stuttgart - „Wir bei Bosch setzen uns dafür ein, die Entwicklung offen zu halten“, verkündete Volkmar Denner auf der jüngsten Automesse IAA in Frankfurt. Bosch gehört zu den lautstarken Befürwortern für den Fortbestand der Verbrennungsmotoren und erklärt, dies helfe dem Klima.

 

Ein wichtiger Spieler dabei seien synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Das sind gasförmige und flüssige Kraftstoffe (Wasserstoff, Methan, synthetische Otto- und Dieselkraftstoffe inklusive Kerosin), die mittels Elektrolyse auf der Basis von erneuerbarem Strom hergestellt werden. Mit der Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus CO2 beschäftigt sich zum Beispiel Siemens schon seit einiger Zeit.

CO2 als Rohstoff der Zukunft

Am Institut für Technische Chemie in Stuttgart forscht Lehrstuhlinhaber Elias Klemm zusammen mit Gastprofessor Jaya Narayana Sahu unter Hochdruck an der großindustriellen Nutzung des Gases als Treibstoff und Energieträger mittels CO2-Wasser-Co-Elektrolyse. Sahu hat ein Verfahren entwickelt, um leistungsfähige Elektroden mittels Mikrowellen-Pyrolyse herzustellen.

Das Charmante an der Mikrowellen-Pyrolyse: sie kann unterschiedliche Kohlenstoffmaterialien definiert und in großen Mengen erzeugen. Sahu, der auf die Mikrowelle ein Patent hat, kann mit seinem Verfahren katalytisch aktive Kohlenstoffmaterialien herstellen, die Fremdatome enthalten. An solchen Materialien kann in einem Elektrolyseur CO2 mit Wasser zu Treibstoffen und Energieträgern umgesetzt werden.

CO2 wird also sowohl für die Herstellung der Elektroden als auch für die Erzeugung synthetischer Treibstoffe eingesetzt. Voraussetzung für die Nachhaltigkeit ist allerdings die Verfügbarkeit von Strom aus regenerativen Quellen.

Elektromobilität allein ist kein Klimaretter

Trotz solcher Entwicklungen scheint beim Automobil die Devise „weiter, schneller, günstiger“ in eine einzige Richtung subventioniert und forciert zu werden, die der Elektro-Mobilität. Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), betont, er setze „ganz stark auf die Option klimaneutraler Kraftstoffe, die im geschlossenen Zyklus genauso viel CO2 aus der Luft nehmen, wie sie CO2 in die Luft abgeben.“

Der Verband gab eine Studie bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Auftrag, um von einer unabhängigen Institution untersuchen zu lassen, ab wann die Idee der Umwandlung von Energie zu Flüssigkeit und zu Gas auch unter Kostengesichtspunkten wettbewerbsfähig sein kann. Ergebnis: in circa 15 Jahren.

Außer Frage steht dabei für Andreas Kuhlmann, Physiker und Chef der Energieagentur, dass mit der Elektromobilität allein die Klimaziele nicht erreichbar und der Gesamtverkehr nicht auf erneuerbare Energien umgestellt werden kann. „Mit E-Fuels kann die gesamte bestehende globale Flotte versorgt werden. Nur so kann ein signifikanter Beitrag des Straßenverkehrs zur CO2-Reduktion gewährleistet werden,“ sagt er.

„Für die Erreichung der Klimaziele von Paris benötigen wir einen Bestand von 60 bis 80 Millionen Elektrofahrzeugen weltweit in knapp zehn Jahren, heute haben wir 2 Millionen“, sagt Leopold Mikulic von der TU Wien.

Doch bisher wird das Thema massentaugliche E-Fuels nicht energisch vorangetrieben. Fragt man nach, heißt es oft „zu teuer“. Das galt auch lange Zeit für die Elektromobilität, bis die Politik sie für sich entdeckte. Doch Denner bleibt davon überzeugt, dass „ein Markthochlauf der Produktion sowie eine günstige Preisentwicklung beim Strompreis dafür sorgen können, dass diese Kraftstoffe deutlich günstiger werden.“ Langfristig seien nach aktuellen Studien reine Kraftstoffkosten von 1,00 bis 1,40 Euro pro Liter realisierbar.

E-Fuels verträgt jedes Auto ohne Umbauten

Die Vorteile sind bestechend. Dazu gehört neben den gewohnten Tankzeiten und Reichweiten, dass das bestehende Tankstellennetz weiter genutzt werden kann. Vor allem aber und das dürfte für Autofahrer die wichtigste Botschaft sein: Sie können ihre Autos ohne irgendwelche Umbauten weiterfahren und sind dennoch klimaneutral. Das gilt nicht nur für Benziner und Diesel der Neuzeit, es gilt sogar für Oldtimer.

„Technisch ist es schon heute möglich, synthetische Kraftstoffe herzustellen. Wenn der Strom, der dafür eingesetzt wird, regenerativ – und damit CO2-frei – gewonnen wird, sind diese Kraftstoffe klimaneutral und vielseitig verwendbar“, so die Bosch Studie. Klingt nach einer Energie-Wunderwaffe. Warum also war man in Deutschland in puncto E-Fuels bislang so zurückhaltend und investiert Millionen in Prämien für elektrische Autos?

„Dies ist eine politische Entscheidung“, sagt Stefan Pischinger, Institutsleiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen der renommierten RWTH Aachen. „Als Wissenschaftler befürworte ich einen offenen Technologiewettbewerb ohne Bevorteilung oder Verbot einzelner Technologien. Am Ende sollte sich die Technologie durchsetzen, die die Zielvorgaben am effizientesten erfüllt.“

Synthetische Kraftstoffe eine von mehreren Lösungen

Pischinger und viele andere Wissenschaftler weisen gemeinsam mit Bosch synthetischen Kraftstoffen ein großes Potential zu, die C02– und Schadstoffemissionen signifikant zu senken.

Daimler Chef Dieter Zetsche äußert sich weniger euphorisch, vielleicht weil sich die Marke mit dem Stern festgelegt hat, in den kommenden fünf Jahren für ihre gesamte Modellpalette elektrische Antriebe auf den Markt zu bringen – wie die meisten Hersteller im Zuge des allgemeinen E-Hype. In seiner Funktion als Präsident des Europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA stimmte er aber zu, dass E-Fuels eine wertvolle Rolle zukommen könne „mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Klima“.

Es sei kein Geheimnis, dass die Elektromobilität hier bisher keine signifikanten Verbesserungen produziere wegen der derzeit noch schlechten Gesamtenergiebilanz. Zetsche wehrt sich deshalb ganz entschieden gegen Reglementierungen bei den Klimabemühungen: „Es hat keinen Sinn vorzuschreiben, welche Technologien welchen prozentualen Anteil erreichen müssen auf dem Weg, das gemeinsame Klimaziel zu erreichen, auf das wir uns verständigt haben.“ Man wisse noch nicht, wie die endgültige Lösung aussehen könne und ob es nicht zu mehrere Lösungen komme, von denen E-Fuels eine sein werde.