In Lampoldhausen bei Heilbronn testet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Raketenantriebe. Die DLR Raketentests lassen die europäische Rakete Ariane abheben. Vieles was hier stattfindet, ist in Europa einmalig.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Heilbronn - Wenn getestet wird, herrscht Alarmstimmung: „In 500 Meter Umkreis wird das Gelände abgesperrt,“, sagt Ralf Hupertz, „Außerhalb werden Schranken an den wichtigsten Waldwegen geschlossen. Hupertz ist verantwortlich für verschiedene Prüfstände von Raketenantrieben beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen. Dies liegt dort, wo sich normalerweise Fuchs und Hase gute Nacht sagen: versteckt im Wald, 25 Kilometer nordöstlich von Heilbronn. An der Landstraße gibt es zwar etliche Hinweisschilder mit der schlichten Aufschrift „DLR“ – doch wer nicht weiß, was sich hinter den drei Buchstaben verbirgt, könnte eher glauben, demnächst käme eine Mühle in einem verwunschen Tal .

 

Tatsächlich aber klappert etliche hundert Meter abseits der Straße kein Mühlrad. Hier finden DLR Raketentests statt.

Noch eine letzte Biegung, dann kommt hinter einem großen Parkplatz ein modernes Gebäude aus Glas und Beton – die Zentrale des Versuchsgeländes der DLR. Dahinter am Waldhang ragen schmucklose Betonklötze in den Himmel, der höchste hat mit 65 Metern die Höhe eines stolzen Kirchturms. Doch auf die Schönheit der Prüfstände kommt es nicht an – wohl aber darauf, was in den Betonklötzen passiert. „Da passen 600 000 Liter Flüssigwasserstoff rein. Der wird auf minus 253 Grad runter gekühlt, damit er flüssig bleibt“, sagt Hupertz und zeigt auf einen riesigen Tank. Ein zweiter fasst 200 000 Liter Sauerstoff, Temperatur immerhin auch noch minus 183 Grad.

Wenn beides zusammen kommt, sitzt Hupertz rund hundert Meter entfernt im Bunker: Am Bildschirm sieht er dann bei den DLR Raketentests, was passiert: In der Brennkammer vermischen sich die Flüssigkeiten bei einer Temperatur von bis zu 3000 Grad – diese mörderische Hitze entsteht, wenn der Antrieb für eine Ariane-Rakete getestet wird. Mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit sausen die Abgase als heißer Wasserdampf aus der Brennkammer. Gemessen werden Drücke, Temperaturen, Durchflüsse in den Leitungen von Prüfstand und Triebwerk, aber auch die Drehzahl der Turbopumpen des Triebwerks sowie Vibrationen oder Stellungen von Ventilen. In zwölf Minuten sind die Tanks leer. Hebt eine Rakete zum Flug ab, läuft der Antrieb nur neun Minuten, dann wird die erste Stufe abgeworfen.

Auch für die DLR Raketentests wird der Wettbewerb härter

Dafür, dass das Triebwerk nicht schon im Prüfstand nach oben schießt sorgt eine Spezialeinrichtung, die an diesem montiert aber auch fest im Boden verankert ist. Fast alles, was die Rakete in den Weltraum trägt, braucht sie für ihren eigenen Antrieb: Die Ariane 5, rund 200 Millionen Euro teuer und „die erfolgreichste kommerzielle Rakete der Welt“, wie Hupertz erklärt, wiegt 750 Tonnen. Der Sprit macht 90 Prozent des Gewichts aus, nur etwa ein bis zwei Prozent die Nutzlast, beispielsweise Satelliten.

Doch auch tief im Lampoldshauser Wald ist der Wind des Wettbewerbs zu spüren. Immer mehr Anbieter von kommerziellen Flügen werben für ihre Dienste, einer davon ist Space X des Tesla-Produzenten Elon Musk. Die Kosten für Fluggerät und Flüge werden an Unternehme und Forschungseinrichtungen weiter gegeben, die etwas am Himmel stationieren wollen – und deshalb muss die nächste Generation der Ariane preiswerter werden. „Ariane 6 soll von 2020 an fliegen und nur halb so teuer sein“, sagt Hupertz. Airbus Safran Launcher, ein Jointventure des französischen Safrankonzerns mit Airbus, hat von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA (European Space Agency) den Auftrag für die Entwicklung der Rakete erhalten. Starten wird diese in Südamerika, auf einer Rampe in Französisch-Guayana. Getestet aber wird das Triebwerk, inklusive Oberteil, in Lampoldshausen. Der Prüfstand dafür „ist einmalig in Europa“, sagt Hupertz. Die Besonderheit: Da das Vinci-Triebwerk erst in 100 Kilometer Höhe gezündet wird, also im Vakuum, muss es auch unter Vakuumbedingungen getestet werden – und einen Prüfstand dafür gibt es nur in Lampoldshausen. Anders als bisher üblich soll das Triebwerk Satelliten auch in unterschiedliche Umlaufbahnen bringen.

Die wiederverwendbare Rakete ist noch eine Vision

Noch preiswerter übrigens könnte der Transport von Satelliten werden, wenn Raketen oder wenigstens Teile davon wiederverwendbar wären. Die Amerikaner sind da eine Schritt voraus: Die Rakete Falcon 9 von Space X hat ausklappbare Landebeine, so dass die erste Stufe auf einer Plattform im Ozean oder in der Nähe ihres Startplatzes wieder landen kann. Die erste erfolgreiche Landung gelang der Mannschaft um Elon Musk am 21. Dezember 2015 in Cape Canaveral. Soweit sind die Europäer noch nicht.

„Die Nachfrage nach einer wiederverwendbarer Oberstufe der Rakete ist da“, sagt Stefan Schlechtriem, der Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen. Etwa 50 Hektar ist das Gelände der Versuchsanstalt groß, immerhin 600 Beschäftigte arbeiten dort, davon 250 bei der Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt. Rund 350 Mitarbeiter sind bei Airbus tätig , wo sie Antriebssysteme für Satelliten und Weltraumsonden entwickeln, testen und fertigen. Gegründet wurde der Standort 1959 vom Raumfahrtpionier Eugen Sänger als Versuchsgelände für Flüssigkeitsraketentriebwerke. Die Zahl der Mitarbeiter wächst: Vor sieben Jahren etwa waren erst 175 Beschäftigte bei der Forschungsanstalt und 190 beim Airbuskonzern tätig, der sich bei den Wissenschaftlern eingemietet hat.

„Wir brauchen einen Umsatz von 30 Millionen Euro im Jahr, damit wir das Gelände weiter so betreiben können“, so die Erfahrung von Schlechtriem. Etwa dreiviertel seiner Aufträge erhält die Einrichtung aus der Industrie, 15 Prozent sind Grundlagenforschung und der Rest andere Forschungsaufträge. Dass etwa die USA – auch pro Kopf – weit mehr Geld für Luft- und Raumfahrt ausgeben, könnte sich nach Meinung des Institutschefs irgendwann als gravierender Wettbewerbsnachteil auswirken: „Die USA geben pro Jahr 40 bis 50 Milliarden aus, die ESA nur fünf Milliarden“, berichtet er. Doch auch anderswo lauert für die DLR Raketentests die Konkurrenz: „Die Chinesen werden stärker, die Inder sind auf dem Markt, die Russen bauen neue Raketen“, sagt der Chef des Testgeländes.

Dass sich sein Versuchsgelände tief im Wald versteckt, sieht Schlechtriem kaum als Nachteil für die Anwerbung von Forschern an: „Wir sind hier rund um Heilbronn und in Hohenlohe in einer Region der Weltmarktführer mit wichtigen Firmen“, preist er die Attraktivität der Gegend. Eher schon macht er bei der DLR die Bezahlung im öffentlichen Dienst als Hindernis aus: „Wenn wir jemand wollen, können wir nicht einfach mehr zahlen,“ sagt Schlechtriem.