Die Hochschule Nürtingen-Geislingen und die Hochschule für Technik in Stuttgart (HFT) betreiben unter dem Namen Contact-AS gemeinsam Gründerarbeit. Es ist eine bodenständige Gründerwelt, die anders funktioniert als der Startup-Hype.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Mitten in der Altstadt von Nürtingen liegen die Hauptgebäude der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen. Und wer gleich am Eingang die Hinweistafeln für die Fachbereiche Pferdewirtschaft und Agrarwirtschaft sieht, der ahnt, dass im seit mehr als zehn Jahren bestehenden Gründerverbund der Hochschule Nürtingen-Geislingen und der Hochschule für Technik in Stuttgart die Rahmenbedingungen anders sind.

 

Drei Firmen mit dem Gründungsjahr 2015 sind aus diesen beiden Bereichen hervorgegangen: Zwei Pferdewirtinnen bringen clevere Nischenprodukte an den Markt – eine Fressbremse für Pferde und ein innovatives Sattelsystem, das Pferden mehr Bewegungsfreiheit bietet. Ein Agrarwirt hat eine ökologische Imkerei gegründet. In den Gründerbroschüren zur „Faszination Startup“ ist eine Hochzeitsberatung ebenso zu finden wie eine Mobilitätsplattform, über die sich Motorroller nach dem Carsharing-Modell mieten lassen oder ein Unternehmen für Personalentwicklung.

Zusammen knapp 10 000 Studenten sind in den beiden Hochschulen eingeschrieben. Seit mehr als zehn Jahren hilft die Gründerberatung Contact-AS den Studierenden dabei ihre Geschäftsideen umzusetzen. Die Kooperation ist eine deutschlandweit ziemlich einmalige Konstellation. Sie verbindet eine technologisch ausgerichtete Hochschule in einer Metropole (HFT Stuttgart) mit einer Hochschule in der Region, die sich auf zwei Standorte verteilt, und deren Schwerpunkt in der Wirtschafts- und Umweltwissenschaft liegt.

Die Vernetzung der Studierenden ist nicht ganz einfach

„Eigentlich ergänzt sich das ja perfekt“, sagt Sebastian Faiß, der beim Stuttgarter Partner HFT für die Gründerberatung zuständig ist. „Wirtschaftswissenschaftler suchen immer Techniker – und umgekehrt“. Und doch ist es in der Praxis nicht ganz einfach, die in ihren straff organisierten Bachelorstudiengängen eingespannten Studenten zur Vernetzung über den jeweiligen Hochschulstandort hinweg zu bewegen. Faiß und Hedwig Huster , die am Standort Nürtingen-Geislingen für die Betreuung zuständig ist, haben aber den Blick über die einzelnen Standorte hinweg – einer der Vorteile der Konstruktion.

Zusammen reicht es immerhin für mehr als die eine Teilzeitstelle, die an kleineren Hochschulen die Gründerberatung manchmal eher zu einem Alibi macht. Man sei kein Einzelkämpfer, könne sich austauschen und habe insgesamt mehr Schlagkraft, sagen beide. Spezialistentum ist hier nicht gefragt, dazu ist an den beiden Hochschulen mit ihren sehr unterschiedlichen Fächerspektrum kein Platz.

Insgesamt geht es im Hochschulverbund in jedem Jahr um rund ein halbes Dutzend Gründungen. „Wir sind Mädchen für alles“, sagt Faiß. Von der ersten, typischen Gründerfrage „wie komme ich an Geld“ bis hin zum Seelentrösten sei man vielfältig gefragt. Und die Begleitung kann, manchmal ganz informell, auch über Jahre gehen.

Der Gründeralltag ist hier weitab der Startup-Klischees. Hier tummeln sich nicht unbedingt Gründer, die von einem zum anderen Event tingeln wollen. „Viele unserer Gründer suchen gar nicht so sehr die Bühne“, sagt Huster. Der frühe, offene Umgang mit Ideen stößt hier noch auf die Sorge, dass sie von jemand anderen weggeschnappt werden könnten.

Diese für die moderne, Offenheit predigende Startup-Kultur ungewöhnliche Haltung ist ganz konkret zu besichtigen: Gleich zwei angefragte, junge IT-Unternehmen aus Nürtingen und Stuttgart wollen nur zögerlich mit IdeenwerkBW.de reden und blasen am Ende die Sache ab. Das Stuttgarter Unternehmen bekommt sogar erst nach dem Gespräch kalte Füße. „Es gibt Gründer, die wollen lieber nicht als solche auftreten“, sagt Faiß entschuldigend. Trotz allem Startup-Kult der vergangenen Jahre: Die Angst von Geschäftsneulingen vor der Skepis der Gesellschaft scheint trotz aller Bekenntnisse zur Innovation noch nicht ganz überwunden.

Contact-AS steht für ein breites Spektrum an Gründungen

Valentin Schackmann, der sich als Prorektor für Karriere und Weiterbildung auch um das Thema Unternehmertum kümmert, erinnert an die Kultur der „hidden champions“, also der heimlichen Weltmarktführer in Baden-Württemberg. „Oft gehen bei uns die Themen Gründen und Unternehmensnachfolge Hand in Hand“, sagt er. So haben die Eltern mancher Studenten am auf die Automobilwirtschaft spezialisierten Standort Geislingen ein Autohaus. Und auf Agrarwirte wartet ein Bauernhof. „Solche Leute klopfen nicht im Gründerzentrum an“, sagt Huster. Die Gründerberater von Contact-AS brechen eine Lanze für ein breites Spektrum an Gründungen auch jenseits der High-Tech. Solche Gründungen bräuchten eigentlich sehr wenig Kapital. „10000 bis 20000 Euro würden oft reichten“, sagt Faiß: „Doch wenn sie das aus der eigenen Tasche oder mithilfe der Familie finanzieren müssen, ist das schon sehr viel Geld.“ Es gebe aber keine Töpfe für solche Mikrofinanzierungen. Künftig ist aber auch eine engere Anbindung an die technologischen Interessen der regionalen Wirtschaft anvisiert. Neben den Aktivitäten von Contact-AS plant die HfWU Nürtingen-Geislingen mit der Stuttgarter Hochschule für Medien in ehemaligen Gebäuden der WMF in Geislingen ein Innovationszentrum. Sollte dieses Projekt zustande kommen, wird sich dort auch Contact-AS mit seiner Dienstleistung in der Gründerberatung einbringen.