Startups in Freiburg suchen nach Lebensqualität – und haben oft den Wunsch, die Welt zu verbessern. Die Startup-Metropole ist kein Tummelplatz für knallharte Investoren und coole Manager.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Freiburg - Grünhof heißt das Startup-Zentrum nur fünf Minuten vom Freiburger Hauptbahnhof. Das Backsteingebäude mit seinen so genannten Coworking-Spaces, passt mit einem bunt möblierten Innenhof und angeschlossenem Cafe perfekt zum Freiburg-Klischee. Grünhof – das klingt nach Öko-Power und Nachhaltigkeit, passend zu einer Stadt, in der die Grünen bei der Landtagswahl in diesem Jahr 43,2 Prozent der Stimmen erhielten.

 

Doch Mitarbeiter Jonathan Niessen muss den Besucher enttäuschen. „Grünhof war einfach der Name einer Gaststätte, die bis vor drei Jahren hier war“, sagt er. Die war nicht für Biolebensmittel berühmt, sondern für ihr Schnitzel. Manche, aber nicht alle der Freiberufler und Startups im Grünhof befassen sich mit ökologischen Themen. Die privaten Betreiber des Grünhofs sehen sich schlicht als Kristallisationspunkt für die in der Stadt sich langsam etablierende Gründerszene.Es ist eine private GmbH, die sich bisher vor allem aus Erlösen aus Fortbildungsangeboten für die Wirtschaft finanziert. Freiburgs Gründerkultur ist eher von Ideen und einer Prise Idealismus getrieben als vom Wunsch nach dem großen Geschäft.

„Wer hier gründet, für den ist Lebensqualität sehr wichtig“, sagt Niessen. Nachhaltigkeitsthemen liegen vorn, etwa bei einer Firma wie Enit-Systems, die durch Überwachungstechnologie Energie einsparen hilft oder dem ökologisch ausgerichtete Textilanbieter Zündstoff. Anderes ist von vorne herein nicht kommerziell ausgerichtet, wie Spendenfreun.de, eine Onlineplattform für soziale Organisationen und private Hilfsprogramme.

Startups in Freiburg: Gründer oft Rückkehrer aus Metropolen

Typische Gründer oder Startup-Mitarbeiter seien Rückkehrer aus Metropolen wie Berlin, die ihren Kindern den Stress der Großstadt nicht antun wollen – und dafür in heimische Gefilde zurückkehren. Das gutbürgerliche Freiburg ist keine Stadt, in der man über Geld redet, auch wenn es inzwischen mit den „Black Forest Business Angels“ ein Investorennetzwerk gibt, das sich aber nicht nur an Startups richtet. Es gibt städtische Fördertöpfe, von denen auch der Grünhof profitiert, der etwa im Rahmen eines mehrmonatigen Betreuungsprogramms junge Startups in Freiburg mit 1000 Euro im Monat bezuschusst. „Viele Bausteine für ein komplettes Startup-Ökosystem fehlen in Freiburg aber noch“, sagt Niessen. Beim Grünhof konzentriert man sich bisher auf die Frühphase, wo sich Gründer noch mit der Entwicklung ihres Geschäftsmodells beschäftigen: „Wir wollen aber unser Angebot ausbauen.“

In Freiburg wächst Jobrad von der Graswurzel her

Typisch für Freiburg ist auch, dass hier viele Dinge von der Graswurzel her wachsen. Ulrich Prediger, der Gründer und Geschäftsführer von Jobrad, dem Aushängeschild der lokalen Gründerszene, ist einer dieser Freiburger Querdenker. Einerseits ist seine Geschäftsidee von der „grünen“ Mentalität der Stadt mitgeprägt. Anderseits musste er sich seinen Erfolg aus eigener Kraft erkämpfen. „Ich wollte schon immer gerne gründen, aber ich wollte auch etwas auf die Beine stellen, was niemandem schadet“, sagt er.

Hartnäckig hat der leidenschaftliche Radfahrer sein innovatives Geschäftskonzept entwickelt. Ursprünglich hatte er im Jahr 2008 die Idee, dass Firmen umweltbewussten und sportlichen Mitarbeitern statt eines Dienstwagens doch ein Dienstfahrrad finanzieren könnten. „Im Autoland Deutschland tut man sich mit so etwas aber schwer“, sagt er. Inzwischen wählen die meisten seiner Kunden ein anderes Angebot, bei dem sich Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber ein Fahrrad per Entgeltumwandlung finanzieren lassen können – was für beide Seiten steuerliche Vorteile bringt. Jobrad sorgt für den rechtlichen Rahmen und arbeitet mit einem Netzwerk von Fahrradläden als Partner zusammen.

Seitdem wächst die Firma rasant: Binnen eines Jahres hat man die Zahl der Mitarbeiter von 40 auf 80 verdoppelt und seit Juni ein neues Büro am Augustinerplatz im Herzen der Altstadt bezogen, in dem Fahrräder aller Couleur neben den Schreibtischen stehen. Einen Heimvorteil habe er in Freiburg nicht gehabt, sagt er. Während im Land beispielsweise die Städte Heilbronn und Tübingen das Modell auch ihren kommunalen Mitarbeitern anbieten, hat sich die Stadt Freiburg, die immerhin eine der Fahrradmetropolen Baden-Württembergs ist, bisher dazu nicht durchgerungen.

Die Universität spielt eine wichtige Rolle

Und noch eine Besonderheit hat die Freiburger Startup-Kultur: Die Universität spielt für Startups in Freiburg eine überdurchschnittlich große Rolle. Sie ist, zusammen mit ihrem Klinikum der größte Arbeitgeber der Stadt. Freiburg liegt nicht im Herzen eines großen wirtschaftlichen Ballungsraums, wo sich viele etablierte Unternehmen als Technologiepartner anbieten. Umso wichtiger ist die Universität mit ihren Forschungsthemen wie Biotechnologie und Nachhaltigkeit. Auch das größte europäische Solarforschungsinstitut, das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, hat in Freiburg seine Heimat.

Seit zehn Jahren treibt das Gründerbüro der Universität das Thema Startups in Freiburg gezielt auch außerhalb der Universität voran. So wurde beispielsweise die Idee zum regionalen Gründerwettbewerb Startinsland hier geboren, den man zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft und der Wirtschaftsförderung betreibt. In einer Ausschreibung hat man Bundesgelder für das Gründerprogramm ergattert. Doch im Jahr 2018 läuft diese Förderung aus. Ob die Hochschule auf Dauer wie bisher in die Rolle des zentralen Gründerförderers schlüpfen kann, ist deshalb offen. „An einer Universität kämpfen sie immer um die knappen Mittel“, sagt Heinrich Stülpnagel, einer der Gründerberater. Für das Jahr 2018 ist immerhin ein neuer Wettbewerb avisiert, bei dem Startups aus der Region bei Investoren um Kapital werben können.

Auch im Umfeld der Universität gilt das Schlagwort von den „ideengetriebenen“ Startups. Der Typus des Gründers, der wild entschlossen ein Unternehmer werden will, aber dem letztlich egal ist, welche Geschäftsidee er dafür genau verfolgt, kommt selten vor. Die traditionsreiche Voll-Universität ist nicht von den Wirtschaftswissenschaften dominiert. Die Uni beginnt gerade erst damit, das Thema Unternehmensgründung systematischer im Lehrangebot zu verankern. „Hier wird oft aus Idealismus heraus gegründet“, sagt Stülpnagel.

Die Biotechnologie-Firma Biocopy hat ein aufgeklärtes Publikum

Die Firma Biocopy, die an einer Technologie zur schnellen Herstellung von Impfstoffen arbeitet, ist beispielsweise nicht wegen der lokalen Gründerförderung von Tübingen nach Freiburg und nicht nach London oder Salamanca gezogen. Die Forschungsthemen und die Arbeitsbedingungen hätten einfach gepasst, sagt Gründer Alexander Roth. In Freiburg konnte er etwa ohne einen betreuenden Professor weiterforschen.

Auch die Überschaubarkeit der Stadt sei ein Vorteil: „Hier lernt man sich schnell kennen – in Berlin können sie unerkannt aneinander vorbeilaufen.“ Vorbehalte gegen Biotechnologie gebe es im grün angehauchten Freiburg im übrigen erstaunlich wenig, sagt Roth: „Das Publikum ist bei diesem Thema aufgeklärt. Ich werde nach ein paar Berichten in der Zeitung inzwischen sogar beim Bäcker darauf angesprochen, wie es mit meinen Impfstoffen steht,“ sagt er. Nur einmal sei er auf einer Veranstaltung gefragt worden, ob man mit seiner Technologie Biowaffen herstellen könne. Nachdem er überzeugend darlegen konnte, dass das schon von der technischen Grundkonzeption her unmöglich sei, habe sich die Fragerin schnell beruhigt.