Die Region Oberschwaben ist kein Magnet für hippe Startups. Ravensburg-Weingarten geht mit einem neuen Zentrum ganz eigene Wege zur Gründerkultur. Der Spatenstich für das „kup Ravensburg“ erfolgte im Sommer 2016.

Ravensburg - Wer mit dem Auto nach Ravensburg fährt, durchquert Felder, Wälder, Obst- und Hopfenplantagen. Die Gegend rund um Ravensburg, die Stadt der Türme und Tore, und ihre Nachbarstadt Weingarten ist überwiegend ländlich geprägt. Dennoch schwärmt Jürgen Kuhn, Gründungsberater bei der IHK Bodensee-Oberschwaben: „Wir haben hier eine der höchsten Gründerquoten außerhalb der Städte in Baden-Württemberg.“ Damit liegt er richtig. Mit 6,7 Gründungen pro 1000 Einwohner ist die Region rund um Ravensburg tatsächlich sehr gründungsintensiv, zumindest was die Gewerbeanmeldungen betrifft.

 

Hochschule bildet den Knotenpunkt der Region

Dabei nicht berücksichtigt sind die freiberuflichen Gründungen. Oberschwaben ist ohnehin eher für seine technische Orientierung bekannt. Zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen in und um Ravensburg prägen diesen Wirtschaftsstandort. „Die Absolventen unserer Hochschule finden zumeist gute Arbeitsplätze im Umkreis von Ravensburg“, sagt Michael Pfeffer, Prorektor der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Die Hochschule ist der wichtigste akademische Knotenpunkt der Region und mit ihren technischen und betriebswirtschaftlichen Schwerpunkten eng an deren Bedürfnissen orientiert. „Umso schwerer fällt es, Studierende und Absolventen zu Unternehmensgründungen zu motivieren. Wir brauchen hier eine andere Gründungskultur als die großen Städte“, sagt Pfeffer. Hans-Joachim Hölz, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Innovationsförderungsgesellschaft Landkreis Ravensburg GmbH (WiR), sagt dazu: „Aufgrund der aktuell noch ausbaubaren Gründungsquote aus den Hochschulen heraus wollen wir gezielt Ausgründungen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen.“ Dazu hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft gemeinsam mit dem Standortentwickler Prisma sowie weiteren Partnern wie Steinbeis, Bwcon –Baden-Württemberg Connected, der Stadt Ravensburg, der Hochschule Ravensburg-Weingarten sowie der Stiftung Liebenau ein neues Konzept entwickelt.

kup Ravensburg: Zwischen Gründergeist und Startup-Kultur

Das kup Ravensburg soll ab Frühjahr 2018 der erste ,Gründungshub‘ im Landkreis werden, wobei die Wortschöpfung (k)up einerseits auf die örtliche Nähe des Zentrums zum Kuppelnauparkplatz hinweist und andererseits eine Anlehnung an ,hub‘ für Netzwerkknoten beinhaltet“, sagt Stefan Nachbaur von Prisma. Im kup Ravensburg sollen sich Hochschulgründungen oder beispielsweise Innovationsprojekte von regionalen Unternehmen und Informations- und Beratungsangebote zu einer speziell oberschwäbischen Gründerkultur zusammenfinden.

Neben diesen speziellen Flächen für junge Unternehmen und einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung der Stiftung Liebenau sind auch Räume für Gründerkulturveranstaltungen und weitere technologieorientierte Informationsangebote geplant. Der Spatenstich für das kup Ravensburg erfolgte bereits im Sommer 2016. Stefan Nachbaur, Geschäftsführer des Standortentwicklers Prisma, lobt die breite Unterstützung, die er für sein Projekt bei den beteiligten Partnern erfahren hat. Die Frage, ob das kup denn jetzt als Gründungszentrum zu bezeichnen sei, verneint Nachbaur vehement: „Wir können mit dem kup und seinem Konzept nicht in die bereits 30 Jahre alte Schublade für klassische Gründerzentren gesteckt werden.

Auch eine Assoziation mit Innovations- oder Startup-Centern passt weder für das Konzept noch für diese Region so wirklich. Für uns“, sagt Nachbaur, „ist das kup einfach das kup.“ Mit dem Zentrum, sagt Wirtschaftsförderer Hölz, wolle man auch das eine oder andere neue Unterstützungsangebot ausprobieren. Wolfgang Heine, Bereichsleiter Standortpolitik und Unternehmensförderung bei der IHK Bodensee-Oberschwaben, hält das kup Ravensburg für eine gute Ergänzung der Angebote der IHK. Nachholbedarf gibt es.

Für Startups ist noch Luft nach oben

Erst vor Kurzem musste das App-Startup Socialbit im benachbarten Markdorf Insolvenz anmelden. Das zwischenzeitlich auf über 15 Mitarbeiter gewachsene Unternehmen musste Fehlern aus der Anfangszeit, einem schnellen Wachstum und vor allem hoher personeller Fluktuation Tribut zollen, wie Mitgründer Thomas Kekeisen erzählt. Socialbit hat er zwar zusammen mit erfahrenen Gründern gestartet, aber ohne wirklich unterstützende Beratung. „Die Angebote vor Ort waren für uns nicht das Richtige“, sagt Kekeisen.

„Ausschlaggebend für die Standortentscheidung war, dass wir Gründer eben in Markdorf bei Ravensburg gewohnt haben. Unseren Kunden war der Standort egal. Wir haben ja über das Internet gearbeitet.“Ravensburg-Weingarten könne man, so der Hochschul-Prorektor Pfeffer, „als durch die ansässigen Unternehmen und die Hochschulen äußerst spannende, aber sich noch am Anfang ihrer Entwicklung befindende Jungunternehmerregion betrachten“. Ihr Schwerpunkt werde aus seiner Sicht vermutlich nicht auf coolen Startups liegen, sondern eher auf technologieorientierten Mittelstandsgründungen. Die Partner in Oberschwaben sind bereit dafür. Jetzt müssen es nur die Gründer noch sein.

Die Gastautoren

Moritz Meidert ist „Kapitän“ des bundesweit tätigen Gründerservice-Unternehmens Gründerschiff mit Sitz in Konstanz (Bild links). Nach dem Studium in Konstanz und Friedrichshafen hat er nach einer gescheiterten Unternehmensgründung, mehreren weiteren Gründungen sowie einiger Erfahrung als Gründungsberater im Jahr 2014 das Gründerschiff gestartet.

Holger Güttinger ist einer der sogenannten Gründerschiff-Lotsen für die Region Bodensee und damit einer der Ansprechpartner für Gründer in und um Ravensburg. Er verfügt über Erfahrungen aus der Wirtschaft sowie aus Tätigkeiten in der öffentlichen Wirtschaftsförderung.

Das Gründerschiff begleitet mit regionalen, sogenannten Gründerschiff-Lotsen neben Unternehmensgründern auch kleine und mittlere Unternehmen bei Innovationsprojekten sowie Vorhaben, die den Gründergeist der eigenen Mitarbeiter fördern sollen. Außerdem bestehen Kooperationen mit Hochschulen, Kommunen und Landkreisen. Ziel ist es, Angebote für Gründer auch in der Fläche besser zu verbreiten. Das Gründerschiff macht nach eigenen Angaben mehr als 8000 Angebote im Jahr für Gründer in Baden-Württemberg. Man versucht dabei auch Regionen abseits der Metropolen abzudecken. Dazu gehören Städte wie Sigmaringen, Balingen, Lörrach oder Friedrichshafen. Den aktuellen Fokus im Land auf die sogenannte Startup-Kultur sieht man kritisch. Als Gastautoren werden lokale Experten in loser Folge für IdeenwerkBW über weitere Standorte berichten. Hinweis: Gründerschiff ist geschäftlich auch in Oberschwaben aktiv und kooperiert mit mehreren der im Beitrag genannten Institutionen und Personen.