Zwei kontrastreiche Meldungen zum Thema Coworking in Stuttgart haben mich erreicht: Von der kleinen, privaten Initiative in Degerloch bis zu globalen Netzwerken springen zurzeit immer mehr Anbieter auf den Trend.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Das Infoportal Deutsche Startups hat in dieser Woche einen kleinen Überblick über fünf globale Netzwerke erstellt, der zeigt, inwieweit das Konzept, geteilte Büroräume mit Community-Feeling zu verbinden, inzwischen zu einem globalen Markenprodukt geworden ist. Allein Berlin, die deutsche Hochburg, weist inzwischen 48 solcher Bürokomplexe auf, zuvorderst das Berliner Eigengewächs Betahaus, das Anfang 2009 damit begann, den langweiligen deutschen Begriff von der Bürogemeinschaft aufzupeppen. Heute hat man Ableger in den europäischen Startup-Zentren Hamburg, Barcelona und Sofia.

 

Bis hin nach Litauen und Albanien hat sich inzwischen der italienische Anbieter Talent Garden vorgewagt. Zahlenmäßig übertroffen wird er aber von der US-amerikanischen Kette We Work, die unter dem Slogan „Gemeinschaft der Kreativen“ 61 Standorte von New York über Amsterdam bis Tel Aviv anpreist.

Und noch größer ist mit 73 Büros auf fünf Kontinenten der ursprünglich in Österreich an den Start gegangene Coworking-Vermittler Impact Hub, der sogar nach dem Franchise-Prinzip arbeitet. Bei dem ausgerechnet auf den nicht unbedingt als Startup-Hochburg geltenden kanarischen Inseln gegründeten, internationalen Anbieter Surf Office ist der Name Programm: Freizeitangebote sollten für Team-Spaß sorgen.

Mehrere Initativen für Coworking in Stuttgart

Doch auch am Standort Stuttgart sind Einzelunternehmer inzwischen recht aktiv. Nachdem der von dem IT- und Unternehmensberater Harald Amelung vor gut fünf Jahren im Stuttgarter Westen als zweites geschäftliches Standbein eröffneter Space Coworking0711 lange ein Alleinstellungsmerkmal hatte und er eine Weile brauchte, um das ihm am Herzen liegende Konzept der Community in die Köpfe zu bringen, hat im vergangenen Jahr expandiert. Seit Herbst 2015 bietet er zusätzlich zu den bisherigen 35 Plätzen nun zehn weitere an einem zweiten Standort im Rahmen des Startup Campus Stuttgart auf dem Gelände der Merz-Akademie.

Der dritte Space für Coworking in Stuttgart ist etwas abseits der für solche Büros typischen Innenstadtlage gerade in Arbeit. Der Stuttgarter Gründer Dominik Schleicher, der bisher als freiberuflicher Projektberater tätig ist, wird dort ab sofort unter dem Titel Coworking Profitable auf einer Altbauetage in der Epplestraße mit einem offenen Raumkonzept an den Start gehen. Auf einer komplett umgebauten Etage mit 230 Quadratmeter Fläche soll es 13 Arbeitsplätze sowie einen Besprechungsraum für bis zu 15 Personen geben. Die übliche gemeinschaftsbildende Infrastruktur von der Küche bis zur Entspannungsecke ist natürlich ebenfalls dabei. Zur Stadtbahnhaltestelle Degerloch sind es rund hundert Meter.

Der 29-jährige hat sich die Inspiration dazu während seines Studiums geholt, wo er nicht nur in den USA, Schweden und Korea, sondern vor allem auch in Berlin dieses Konzept erlebte. „Ich bin seit zwei Jahren in der Stuttgarter Startup-Kultur unterwegs – und da gehört so etwas einfach dazu“, sagt er. Coworking und Gründerkultur bedingen einander nämlich gegenseitig: Diese innovativen Bürokonzepte machen offene Kollaboration, wie es für Startups üblich ist, häufig erst möglich. Andererseits benötigen sie zum Erfolg auch eine am Ort schon etablierte Gründer-Mentalität.

Der Coworking-Space ist für den Gründer auch das eigene Büro

Schleicher denkt allerdings pragmatisch: Er suchte sowieso ein Büro für sich selbst – nun ist die Immobilie einfach größer und erlaubt ihm selbst beispielsweise die Option auf einen Besprechungsraum. Noch sei Stuttgart bei den Coworking-Spaces entwicklungsfähig, sagt er. Die Haltung zu dem Konzept sei klar eine Generationenfrage: „Bei Leuten unter dreißig, vor allem denjenigen, die im Medien- und IT-Bereich unterwegs sind, ist Coworking ein Begriff. Anderen müssen sie erstmal erklären, dass das sozusagen die gute alte Bürogemeinschaft hoch drei ist,“ sagt der 29-Jährige. Dass die Immobilie in Degerloch liegt, gerade einmal 200 Meter von Schleichers Wohnung entfernt, ist Zufall. Doch selbstbewusst verteidigt er die Lage in einem Stadtteil, der eher ein bisschen dörflich ist und es mit dem Coolness-Faktor von Stuttgart-West nicht aufnehmen kann: „Vielleicht hilft ja so ein Projekt dabei, das Image von Degerloch ein wenig zu entstauben.“ Im übrigen seien Autobahn- und Flughafenanbindung im Vergleich zum Stadtzentrum natürlich unschlagbar.

Bis zu den 48 Standorten in Berlin ist es noch ein Stück Weges. Aber die Stuttgarter arbeiten daran. Und auch andere Städte im Land ziehen nach. So ist beispielsweise in Mannheim mit dem DOCK3 ein Coworking-Space mit Blick auf dem Hafen am Start.

Man darf gespannt sein, wie sich das Thema Coworking in Stuttgart weiterhin entwickelt, denn das Konzept hat ohne Zweifel Potential – und in Stuttgart deutlich Luft nach oben.